Mit dem Teufel verhandeln?!

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Waren Sie auch schon einmal in der Zwickmühle, mit einem „Teufel“ verhandeln zu müssen? Also mit einem Gegenüber, der so richtig schlecht und böse ist? Der moralisch verwerfliche Ziele verfolgt und sich genauso verwerflich verhält? Der Ihnen persönlich zuwider ist?

Kann man mit dem Teufel überhaupt verhandeln?

Schon in Goethe’s Faust lernen wir, dass es in höchstem Maße gefährlich ist, sich mit dem Teufel auf einen Handel einzulassen. Die Chance seine Seele zu verlieren ist ziemlich groß und den Handel à la longue zu gewinnen ziemlich klein.

Aber in der Literatur gelten bekanntlich andere Regeln als im richtigen Leben. Tatsächlich begegnet man auch im Geschäftsleben dem „Bösen“ öfter als man denkt. Nicht nur bei der Polizei oder beim FBI hat man es mit Gangstern, Verbrechern, Kidnappern zu tun, die gegen alle Regeln und Moralvorstellungen verstossen.

Wir hatten es vor einiger Zeit mit einem Mandanten zu tun, der von seinem Geschäftspartner auf offensichtlich schamloseste Weise ausgebootet und aus der eigenen Firma gedrängt wurde. Er musste sich entscheiden, ob er mit seinem „teuflischen“ Partner überhaupt und wenn ja mit welchem Ziel verhandeln wollte. Zwar konnte während einer fast 12 Monate dauernden Verhandlung der Verlust des Unternehmens für unseren Mandanten nicht mehr verhindert werden. Doch immerhin konnten die zunächst absehbaren katastrophalen finanziellen und wirtschaftlichen Verluste in eine ordentliche Geldsumme verhandelt werden, die einen unternehmerischen Neustart für unseren Mandanten ermöglichte. Ihm selbst wäre es persönlich nicht möglich gewesen, mit seinem „teuflischen Geschäftspartner“ eine entsprechende Vereinbarung zu erzielen, zu groß war die Enttäuschung, Aversion und Angst vor der Konfrontation. Offengestanden liegt aber in diesem Falle – wie in vielen anderen auch – die Bewertung des Verhandlungsgegners als „Teufel“ im Auge des mehr oder weniger emotional reagierenden Betrachters.

Unsere erste Empfehlung in diesem Zusammenhang lautet: Warten Sie nicht mit dem verhandeln, bis Sie keine Verhandlungsmasse mehr haben!

Einige Zeit später fiel uns das extrem spannende Buch von Robert H. Mnookin „Verhandeln mit dem Teufel – Das Harvard Konzept für die fiesen Fälle“ in die Hände, das uns zu diesem und einigen weiteren Blogs motivierte. Sehr gerne nehmen wir einige seiner Gedanken hier auf, empfehlen aber dem geneigten Leser unbedingt auch die weiterführende Lektüre des Originals.

Wer oder was ist nun der Teufel im Sinne dieses Artikels?

Muss man zum Beispiel mit echten Terroristen, Diktatoren oder Geiselnehmern verhandeln, fällt die Definition des Bösen nach allgemeinen westlichen Maßstäben scheinbar recht leicht. Die Bewertung der Gegenseite als böse oder gar teuflisch hängt allerdings nicht nur von der Perspektive in der jeweiligen Situation ab. Auch der jeweilige Zeitgeist einer geschichtlichen Epoche oder das kulturelle Umfeld kann unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe erzeugen. Wie geht man aber in einer solchen Situation vor, wenn man es mit einem solchen „Teufel“ im Geschäftsleben zu tun hat?

Ob man also mit einem „teuflischen“ Gegner verhandeln soll, kann sich nur aus einer Güterabwägung ergeben:

  • Welche Ergebnisse könnten sich durch eine Verhandlung überhaupt erzielen lassen?
  • Welche Konsequenzen ergeben sich, wenn man eine Verhandlung strikt und kategorisch ablehnt?
  • Was ist vernünftig?
  • Was ist moralisch vertretbar?

Die Erfahrung zeigt, dass jede Situation und jeder Verhandlungsgegner aus unterschiedlichen Perspektiven differenziert bewertet werden kann. Aber muss man in jedem Falle extrem wachsam sein! Der Bauch lenkt häufig die Analyse in eine bestimmte Richtung: man reagiert spontan und intuitiv auf eine Tatsache und nutzt dann gerne das vorhandene analytische Denkvermögen, um die eigene Position zu untermauern. Die Kunst, sich selbst etwas in die Tasche zu lügen, beherrschen wir sicher alle recht gut.

Wenn Sie also entscheiden müssen, ob Sie mit einem „teuflischen“ Gegner verhandeln sollen, sprechen Sie mit einem Advokatus diaboli (in diesem Zusammenhang ein besonders gelungenes Wortspiel, nicht wahr?), der Ihre Meinung bewusst nicht teilt und der Sie zu dezidierten Begründungen Ihres Standpunktes zwingt. Im Ergebnis können Sie durch diese Diskussion Ihre Einstellung logisch plausibilisieren oder Ihre Meinung ändern. Sie schützen sich so recht einfach vor einer übereilten Entscheidung.

Aber was ist mit der Moral? Soll man überhaupt mit dem „Teufel“ verhandeln?

Muss man den Teufel nicht grundsätzlich als Verhandlungspartner ablehnen? Würde man ihn dadurch nicht gar anerkennen und legitimieren? Welche Rolle spielen Wertvorstellungen bei der Entscheidung und welchen Einfluss nehmen besondere Umstände und der Zeitgeist? Wer schließlich will eine Situation beurteilen, ohne selbst die entsprechende Grenzerfahrung gemacht zu haben (z.B. Bedrohung durch Krieg, Holocaust, Entführung etc.; vgl. auch das psychologische Phänomen des Stockholm-Syndroms).

Die Frage ist jedoch nicht, ob die Entscheidung für eine Verhandlung mit dem Bösen objektiv richtig ist, denn das wird sich erst im Nachhinein beurteilen lassen. Die Frage ist vielmehr, ob die Entscheidung zum relevanten Zeitpunkt vernünftig ist und diese Vernunftgründe die moralischen Bedenken überwiegen. Außerdem müssen Sie sich auch grundsätzlich klar darüber sein, dass sich unvernünftige Entscheidungen im Nachhinein ebenso als richtig herausstellen können wie vernünftige als falsch. Entscheidend ist also, ob Sie alle relevanten Aspekte berücksichtigt und gegeneinander abgewogen haben.

Robert Mnookin bedient sich zur Lösung dieser Frage der Unterstützung von Mr. Spock als imaginärem Ratgeber: Die Figur des Vulkaniers aus dem Raumschiff Enterprise ist der Inbegriff des nüchternen, logischen Denkers und brillanten Strategen, der emotional (und wirtschaftlich) unbeteiligt mit einem gerüttelt Maß an Zynismus alle Optionen, Alternativen und Interessen nach objektiven Kriterien abwägt.

Die vulkanischen Kernfragen:

  • Wer sind die Parteien der Verhandlung?
  • Wird die gegnerische Partei als grundsätzlich böse angesehen oder nur in der aktuellen Situation?
  • Was sind die widerstreitenden Interessen (=weitergehende Bedürfnisse) der Parteien? Gibt es „höhere Ziele“?
  • Gibt es gemeinsame Interessen?
  • Welche „beste Alternative“ hat jede Partei zur Verhandlung? Was also würde im besten Falle passieren, wenn man nicht verhandeln würde?
  • Welche potenziellen Verhandlungsergebnisse könnten erzielt werden, die besser als die jeweils beste Alternative der Gegenpartei ist?
  • Welche Kosten (direkte Transaktions- und indirekte Folgekosten) sind mit der Verhandlung verbunden? (Ressourcen, Geld, Zeit, Reputation, Präzedenzfall etc.)
  • Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die andere Partei im Rahmen der Umsetzung an die Vereinbarungen hält?

Hüten Sie sich vor (vermeintlichem) Heldentum!

Oft werden Verhandlungen abgelehnt, weil man für das Gute kämpfen und dem Bösen keinen Zentimenter Raum überlassen will. Ein wahrlich heldenhaftes Verhalten, das aller Ehren wert ist, oder? Ein Held ist nach allgemeinem Verständnis, wer ohne Rücksicht auf sein eigenes Wohl im Namen eines Prinzipes handelt, das größer ist als er selbst. Helden verhandeln nicht! Helden kämpfen – wenn nötig bis zum Tod! Die Verhandlung mit dem bösen Feind ist daher weder heldenhaft noch aufregend oder gar romantisch. Verhandlungen sind auch oft langatmig, zäh und mit ungewissem Ausgang versehen. Heldentum schaffen nur zwei Resultate: Sieg oder Untergang ohne Rücksicht auf Verluste! Für Zwischentöne gibt Heldentum keinen Raum. Sie müssen sich also in diesen Grenzbereichen entscheiden, ob Sie als Held oder vernunftorientiert agieren wollen.

Wenn Sie also dennoch mit dem Teufel verhandeln wollen, setzen Sie wenigstens auf folgende Strategien:

  • Legen Sie sich alternative Handlungsoptionen zurecht! Wenn die Verhandlung scheitert, werden Sie sie brauchen!
  • Stellen Sie einen überzeugenden Erfolg sicher! Die Geschichte könnte Sie sonst harsch verurteilen und selbst zum verteufeln!
  • Wenn Sie den Teufel schon belügen, fallen Sie nicht auf Ihre eigenen Lügen herein!

Teuflisches Dilemma

Hat man sich für die Verhandlung mit einem teuflischen Gegner entschieden, ergeben sich eine Reihe von Kernkonflikten bzw. Dilemmas. Sie bewegen sich in solchen Verhandlungen

  • zwischen den Stühlen, denn Sie müssen in einer Verhandlung nicht nur ein für das „Böse“ ebenfalls vertretbares Ergebniss erzielen, sondern gleichzeitig Ihre „unmoralische“ Intention gegenüber Ihrer eigenen Partei vertreten.
  • zwischen Pragmatismus und Prinzip, denn Sie müssen unter Umständen zur Erreichung von „übergeordneten Zielen“ Ihre persönlichen Wertvorstellungen über Bord werfen .
  • zwischen Mitgefühl (für die Interessen der Gegenseite) und Entschlossenheit (zur Vertretung der eigenen Interessen).
  • zwischen sachbezogener (kooperativer) und emotionaler (konfliktbezogener) Taktik

Zeit und inhaltliche Einflussfaktoren

Im Nachhinein erscheinen viele Verhandlungsergebnisse oft so klar und zwingend, dass sich die Frage stellt, ob man nicht gleich darauf hätte kommen  und eine Vereinbarung schließen können. Die Erfahrung sagt NEIN! Der Kompromiss ergibt sich letztendlich aus der Erkenntnis, dass keine Partei ihr maximales Zielergebnis erreichen konnte. Erst aus dieser Erkenntnis werden die Verhandlungsparteien motiviert, schrittweise aufeinander zuzugehen. Nun könnte man ja zu Beginn die Maximalvorstellungen auf den Tisch legen und sich dann sofort in der Mitte einigen. Jedoch bliebe dann immer noch der schale Beigeschmack, sich vielleicht doch zu schnell geeinigt zu haben. Vielleicht hätte man doch noch mehr für sich herausholen können. So gehören die Spielchen eben einfach dazu.

Wichtig erscheint aber vor allem, sich die Zeit für eine genaue Erkundung tatsächlichen und möglichen Interessen zu nehmen. So manches mal muss erst das Interesse der eigenen oder der anderen Partei an einer Einigung und dem möglichen Inhaltskorridor geweckt werden.

Dabei werden Verhandlungen sehr häufig von scheinbar unauflösbaren Faktoren beeinflusst. Besonders deutlich lassen sich diese bei Erbstreitigkeiten oder Scheidungen zeigen:

  • Der Verhandlungsgegenstand (z.B. ein Haus) lässt sich nicht einfach physisch/rechtlich gleichwertig aufteilen.
  • Der (Markt-) Wert des Verhandlungsgegenstands lässt sich nicht ohne weiteres festlegen.
  • Der Verhandlungsgegenstand ist einmalig (z.B. ein bestimmtes Schmuckstück).
  • Der Verhandlungsgegenstand hat für eine der Parteien einen „unbezahlbaren“ emotionalen oder symbolischen Wert.

Und wer soll nun mit dem „Teufel“ verhandeln?

Hat man sich für eine Verhandlung entschieden, muss man klären, wer nun die Verhandlung im Spannungsfeld zwischen Vermitteln und Entscheiden führen soll? Oft hilft der alte Grundsatz: Verhandele besser NIE in eigenen Angelegenheiten!!! Je weitreichender die möglichen Konsequenzen einer Verhandlung sein können, desto schwieriger behält man einen klaren Blick für das Mögliche und das Notwendige. Auch hier hilft ein dann realer „Mr. Spock“ gut weiter.

Auch die Frage, ob eine Verhandlung von einem unbeteiligten Verhandlungsführer in Anwesenheit oder in Abwesenheit der Parteien geführt werden sollte, hängt schließlich vom Einzelfall ab: Eine Verhandlung nur zwischen den jeweiligen Verhandlungsführern (Shuttle-Diplomatie) bietet sich zum Beispiel an, wenn sich die Parteien eigentlich nicht an einen Tisch setzen, aber dennoch ein vernünftiges Verhandlungsergebnis erzielen wollen.

Das Verhandlungsteam

Wollen Sie im Team verhandeln. sollte das Team aus wenigstens vier Personen bestehen:

  1. Der Verhandlungsführer ist der (einzige) Wortführer in der Verhandlung. Er agiert und reagiert, trägt Argumente und Bedenken vor.
  2. Der Protokollführer dokumentiert den Verlauf der Verhandlung, hält die Argumente und ihre Wirksamkeit fest und berät den Verhandlungsführer.
  3. Der Beobachter konzentriert ganz sich auf die Gegenseite, die verbale und non-verbale Kommunikation, Körpersprache und berät den Verhandlungsführer.
  4. Der Entscheider ist die „höhere Autorität“ und nicht anwesend (z.B. Sie selbst als Auftraggeber). Er trifft die Entscheidungen im Hintergrund ohne direkte Beteiligung an der Verhandlung. Da er nicht anwesend ist, verschafft die Notwendigkeit zur Einholung seiner Entscheidung den vielleicht ausschlaggebenden Zeitvorteil.
  5. Der Fachexperte trägt ausschließlich Zahlen, Daten und Fakten (ZDF) vor und beteiligt sich nicht argumentativ an der Verhandlung.

Seien Sie aber vorbereitet, dass Ihr teuflischer Verhandlungspartner ebenso gut präpariert in die Verhandlung geht und ein vergleichbares  Verhandlungsteam aufbietet.

Damit Sie dennoch erfolgreich verhandeln können, freuen Sie sich auf die Fortsetzung dieses Artikels. Dann beschäftigen wir uns mit den richtigen Strategien und Taktiken für das Verhandeln mit dem „Teufel“ und in Grenzbereichen.

Wenn Sie aber nicht solange warten wollen oder können, sprechen Sie uns hier direkt an. Wir helfen Ihnen gern!

Verfasst von

Die Unternehmensberater und Trainer der Business Navigatoren GmbH betreuen seit 2009 Mandate mit Schwerpunkt im Change Management. Ihre Kunden sind überwiegend mittelständisch geprägte Unternehmen und deren Inhaber u.a. aus den Bereichen Automotive, Tourismus, Einzelhandel, Dienstleistung, Nahrungsmittelzulieferer, Unterhaltungselektronik, Wohnungswirtschaft, Produzierendes Gewerbe und Konsumgüter. Die Business Navigatoren unterstützen ihre Kunden in den Bereichen Strategische Unternehmensführung, Personal- & Organisationsentwicklung und Marketing auf der Grundlage von mehr als 20 Jahren Erfahrung als Fach- und Führungskräfte bis auf Top Management Niveau in internationalen Konzernen. Sie sind akkreditierte und zertifizierte Trainer und Berater des Team Management Systems (TMS Margerison / McCann)