Hilfe, mein Chef ist ein Tyrann!!!

 

„Von Wand zu Wand sind es vier Schritte,
von Tür zu Fenster sechseinhalb! …

Ich weiß nicht, was sie von mir wollen
Wozu die ganze Fragerei
Wozu das endlose Verhör
Wenn ich nicht weiß, wovon sie reden
Ich weiß nicht, was sie von mir wollen.

… Ich werde einfach unterschreiben“

Reinhard Mey hat 1972 mit seinem Lied „In Tyrannis“ vor dem Hintergrund des politischen Aufbruchs der späteren  60er Jahre des 20. Jhd. die Gefühlslage eines unschuldig Inhaftierten durch die subjektive Wahrnehmung der antiken Tyrannis, nämlich Diktatur und Totalitarismus, in seinen zentralen Ausformungen beschrieben:

  • Willkür
  • Verletzung der Menschenwürde
  • Folter
  • Psychoterror

Der Umgang des Protagonisten mit diesen Auswüchsen reicht im Lied von Unverständnis über Widerstand bis hin zu letztlicher Resignation („… ich werde einfach unterschreiben …“).

Während der Begriff in der Antike ursprünglich völlig wertneutral eine Alleinherrschaft bezeichnete, ist er spätestens seit dem 5. Jhd. v. Chr. negativ besetzt.

Es soll zwar auch Stimmen geben, die die Tyrannei jedenfalls dann als geeignete Staatsform propagieren, wenn der Tyrann denn ein Philantrop (Menschenfreund) sei, da er seine Macht in diesem Falle nicht zum Nachteil des Volkes ausüben würde. Es stellt sich allerdings  die Frage, wie groß wohl die Wahrscheinlichkeit schon von zwei aufeinander folgenden Menschenfreunden ist?

Der Ruf „Hilfe, mein Chef ist ein Tyrann!!“ ist also eine wirklich sehr tiefgreifende Anklage, denn sie impliziert eigentlich, dass der Chef willkürlich handelt, die Menschenwürde seiner Mitarbeiter verletzt und/oder diese mit höchst zweifelhaften Methoden bis hin zu physischen und psychischen Angriffen drangsaliert. Abgesehen davon, dass alle diese beschriebenen Verhaltensweisen in höchstem Maße strafrechtlich relevant wären, ist der Vorwurf  in dieser Hinsicht meist nicht wirklich ernst gemeint. Er stellt regelmäßig eher die Umschreibung eines subjektiv als nicht angemessen wahrgenommenen Führungsverhaltens dar.  (Dort wo die Ausnahme die Regel bestätigt, empfehlen wir übrigens dringend die örtliche Staatsanwaltschaft einzuschalten!)

Als unangemessen empfinden Mitarbeiter das Führungsverhalten ihres Chefs vor allem aus zwei Gründen:

  • Sie fühlen sich nicht respektvoll und wertschätzend wahrgenommen bzw. behandelt.
  • Sie verstehen einfach nicht, warum und was der Chef eigentlich von ihnen will, welche Arbeitsaufträge sie erfüllen sollen.

Beide Gründe fußen auf einer unzureichenden Kommunikation. Dabei bezieht sich der erste Grund eher auf die Form der Kommunikation und des Umgangs miteinander, während der zweite Grund die unzureichende Vermittlung von Inhalten in den Vordergrund stellt.

Als Führungskraft kann man sich hin und wieder schon die Frage nach der Adressatentheorie stellen: Habe ich meine Kommunikation  eigentlich so ausgerichtet, dass  nur ich verstehe was ich meine, oder achte ich darauf, dass auch meine Mitarbeiter klar und deutlich verstehen (können), was ich sagen will? Bereits hier gilt eine Empfehlung, die uns erst kürzlich auf den Bildschirm twitterte:

„Behandele Deine Mitarbeiter fair, gerecht und mit Respekt auf Deinem Weg nach oben, denn DU könntest sie wieder brauchen auf Deinem Weg nach unten …!“

Aber auch hier hat die Medaille zwei Seiten. Als Mitarbeiter hat man es auch selbst in der Hand, wie sich Umgang und Kommunikation mit dem Chef gestalten:

Viele Chefs erhalten von ihren Mitarbeitern keine ehrliche Rückmeldung zu ihrem Kommunikationsverhalten. Dass auch Chefs dabei lieber respektvoll und wertschätzend behandelt werden wollen, dürfte sich von selbst verstehen. Fragen sie zunächst Ihre Kollegen, ob Sie alleine solche Verständnisschwierigkeiten haben. Wenn dem so ist, sollten Sie zumindest darüber nachdenken, ob Sie vielleicht selbst Ihre Perspektive einmal wechseln sollten, um Missverständnisse zu vermeiden. Wenn es jedoch anderen wie Ihnen geht, suchen Sie das persönliche Gespräch mit Ihrem Chef:

  • Bitten Sie um einen Termin für ein persönliches Gespräch unter 4 Augen mit ausreichend Zeit.
  • Schildern Sie Ihre persönlichen Befindlichkeiten ohne Anklagen oder Vorwürfe und machen Sie deutlich, warum Sie sich persönlich betroffen fühlen.
  • Beschreiben Sie konkrete Situationen, die zu Ihren Befindlichkeiten geführt haben und vermeiden Sie unter allen Umständen Verallgemeinerungen!
  • Erklären Sie Ihrem Chef, welche konkreten Änderungen Sie sich nach diesem Gespräch für die Zukunft wünschen.
  • Geben Sie Ihrem Chef Zeit und Gelegenheit zur Reflektion Ihrer Befindlichkeiten ohne persönlichen Gesichtsverlust.
  • Treffen Sie mit Ihrem Chef eine Vereinbarung über den zukünftigen inhaltlichen bzw. formellen Umgang.
  • Dokumentieren Sie die Vereinbarung in einem Protokoll oder einer e-Mail und vergessen Sie nicht, sich für das Gespräch zu bedanken.

Getreu dem Grundsatz „Love it, change it or leave it!“ haben Sie damit erste entscheidende Voraussetzungen für positive Veränderungen geschaffen. Stellen sich die gewünschten Veränderungen nicht ein, können Sie die Sache immer noch weiter nach oben eskalieren oder nach in- und externen Alternativen suchen. Auf jeden Fall aber gehen Sie sorgfältig bei der Wahl Ihrer Begrifflichkeiten zur Beschreibung Ihres Chefs um.

Verfasst von

Die Unternehmensberater und Trainer der Business Navigatoren GmbH betreuen seit 2009 Mandate mit Schwerpunkt im Change Management. Ihre Kunden sind überwiegend mittelständisch geprägte Unternehmen und deren Inhaber u.a. aus den Bereichen Automotive, Tourismus, Einzelhandel, Dienstleistung, Nahrungsmittelzulieferer, Unterhaltungselektronik, Wohnungswirtschaft, Produzierendes Gewerbe und Konsumgüter. Die Business Navigatoren unterstützen ihre Kunden in den Bereichen Strategische Unternehmensführung, Personal- & Organisationsentwicklung und Marketing auf der Grundlage von mehr als 20 Jahren Erfahrung als Fach- und Führungskräfte bis auf Top Management Niveau in internationalen Konzernen. Sie sind akkreditierte und zertifizierte Trainer und Berater des Team Management Systems (TMS Margerison / McCann)

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